„Albtraum Ferienlager?“
Am Montag, den 13. August 2024 ist im Rahmen einer Recherche für das Format „VOLLBILD“ im SWR ein Beitrag unter dem Titel „Albtraum Ferienlager?“ erschienen, welcher auch über die ARD-Mediathek verfügbar ist.
Die im Beitrag dargestellten Missstände bei einem Anbieter von Ferienfreizeiten sowie die geschilderten Fälle von Übergriffen und sexuellem Missbrauch machen uns betroffen. Wir verurteilen diese auf das Schärfste, sollten sie sich bewahrheiten.
Auch wenn sich der investigative Recherche-Beitrag im Wesentlichen auf die Umstände bei einem einzelnen Freizeitenanbieter bezieht, so hinterlassen der fast 37-minütige Beitrag sowie die darauf aufbauenden Meldungen den faden Beigeschmack, dass Ferienfreizeiten und andere betreute Kinder- und Gruppenreiseformate insgesamt eine Gefahr darstellen. Es entsteht der Eindruck, als gäbe es kaum bis keine Qualitätsmaßstäbe, als könne jeder Anbieter tun und lassen, was er möchte.
Dem ist keinesfalls so! Als bundesweiter Fachverband, dessen Mitglieder unter anderem Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche durchführen, sind uns schon immer Qualitätsstandards und der Schutz von Kindern und Jugendlichen besonders wichtig und eines der obersten Ziele.
Einseitige Darstellung verzerrt das Gesamtbild von Kinder- und Jugendreisen
Wir möchten die im Beitrag gezeigten Missstände keinesfalls verharmlosen. Eine Sensibilisierung für die Themen ist nur zu begrüßen. Und eine Aufklärung über Schutzmaßnahmen, Qualifikationen der Betreuer:innen sowie die anzustrebende Qualität sehen wir auch als unsere Aufgabe an.
Gleichwohl finden wir die Darstellung im Beitrag „Albtraum Ferienlager?“ sehr einseitig und zu reißerisch. Es fehlt der vergleichende Blick. Und eine Erläuterung der positiven Wirkung von Freizeiten, Ferienlagern und anderen Reiseangeboten mit so wichtigen Erfahrungen für Kinder kommt viel zu kurz.
Das wird den zahlreichen Anbietern nicht gerecht, die mit viel Engagement, pädagogischem KnowHow und professioneller Arbeit Kinder- und Jugendreisen durchführen. Und auch den Verbänden, die sich seit Jahren um eine stets steigende Qualität im Kinder- und Jugendreisen, auch bei kommerziellen Anbietern, bemühen, wird in diesem Beitrag nicht Rechnung getragen. Eltern lässt der Recherche-Beitrag mit Sorge zurück.
Qualitätsanspruch in der Erlebnispädagogik
Der Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e. V. gibt für verschiedene Arbeitsfelder Qualitätsgrundlagen heraus. Die Mitglieder des Fachverbandes unterliegen den entsprechenden Anforderungen, zum Beispiel für erlebnispädagogische Gruppenprogramme, wozu auch Ferienlager gehören sowie für die Ausbildung in der Erlebnispädagogik. Darauf aufbauend wurden messbare Qualitätsstandards entwickelt, welche in einem umfassenden Zertifizierungsverfahren extern überprüft werden.
Hier nur einige der zu erfüllenden Standards:
- Personen, die in der Erlebnispädagogik arbeiten, müssen über eine entsprechende Ausbildung verfügen.
- Eine fundierte Ausbildung in der Erlebnispädagogik dauert mindestens 20 Tage (mit Theorie und Praxis), über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten.
- Das Mindestalter für eine Ausbildung ist 18, besser 21Jahre.
- Die Vorlage eines aktuellen Erweiterten Polizeilichen Führungszeugnisses ist für alle Personen, die in Kontakt mit Schutzbefohlenen kommen Pflicht. Auch vor Beginn einer Ausbildung in der Erlebnispädagogik muss ein Erweitertes Polizeiliches Führungszeugnis von den Auszubildenden vorgelegt werden.
- Es wird ein aktueller Erste-Hilfe-Nachweis gefordert, welcher alle zwei Jahre erneuert werden muss.
- Der Betreuungsschlüssel bei erlebnispädagogischen Aktionen liegt bei mindestens 1:15. Zudem sind zusätzlich Personen anwesend, welche die Aufsichtspflicht haben (z.B. Lehrkräfte) und damit das Betreuungsteam vervollständigen.
- Die Anbieter müssen ein Schutzkonzept vorweisen, welches Maßnahmen zur Prävention und zum Umgang mit verschiedenen Formen von Gewalt beinhaltet.
- Dazu wird eine Risikoanalyse erstellt und passende Sicherheits-, Notfall- und Krisenmanagementkonzepte erarbeitet, die regelmäßig aktualisiert und geschult werden.
- Gefordert wird eine Transparenz der Arbeitsweise, ausreichende Vorinformationen für die Eltern / Kunden etc. sowie eine gesicherte Kommunikation vor-, während und nach dem Programm / der Reise. Das umfasst auch eine der Wahrheit entsprechende Werbung.
Echte Aufklärung, statt pauschale Verurteilung
Es wäre wünschenswert, wenn nicht nur mögliche Missstände aufgezeigt werden, sondern eine wirkliche Aufklärung erfolgt. Die aufzeigt, wie qualitativ hochwertige und pädagogisch gute Kinder- und Jugendreisen gestaltet werden, welche Qualitätsstandards bestehen und welche Möglichkeiten es gibt, sich darüber zu informieren, um einen zuverlässigen Anbieter für die nächste Ferienfreizeit zu finden.
Links zum Weiterlesen:
Qualitätsgrundlagen für Anbieter erlebnispädagogischer Aus- und Weiterbildungen
Hintergrund:
Beitrag „Albtraum Ferienlager?“
Video ARD-Mediathek „Albtraum Ferienlager?“
Über den Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V.
Der Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V. repräsentiert als führender Fachverband in Deutschland die Vielfalt der Arbeitsfelder der Individualpädagogik und der Erlebnispädagogik mit den Schwerpunkten Hilfen zur Erziehung, Klassenfahrten und Gruppenprogramme, Aus- und Weiterbildung und Erlebnistherapie. Der Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik ist als gemeinnützig eingetragener Verein tätig und anerkannter Träger der Jugendhilfe. Der Verband wird von Reinhard Zwerger als erstem Vorsitzenden geführt. Unter wissenschaftlicher Begleitung verbreitet der Verband den ganzheitlichen und handlungsorientierten Ansatz in der Öffentlichkeit. Er entwickelt Qualitätsstandards für die verschiedenen Fachbereiche und setzt sich auf Landes- und Bundesebene für die Interessen seiner Mitglieder aus dem In- und Ausland ein. Die Mitglieder des Bundesverband Individual- und Erlebnispädagogik e.V. stehen für ein handlungsorientiertes und erfahrungsgeleitetes Lernen und bekennen sich zu dem im Grundgesetz verankerten Schutz der Menschenwürde. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieses unveräußerbare Recht gilt unabhängig von Geschlecht, den persönlichen Fähigkeiten, Herkunft, Religionszugehörigkeit oder sonstigen Orientierungen. Seit 2009 zertifiziert der Bundesverband Anbieter und Träger mittels des Zertifizierungsverfahrens „Qualität in der Individual- und Erlebnispädagogik – Mit Sicherheit pädagogisch!“ („beQ“). Mit der Formulierung des Berufsbildes Erlebnispädagog:in sowie der Entwicklung des Titels „Erlebnispädagoge be®“ / „Erlebnispädagogin be®“ und des dazugehörigen Anerkennungsverfahrens hat der Bundesverband weitere Meilensteine der Professionalisierung der Erlebnispädagogik geschaffen. Mehr Informationen unter https://www.bundesverband-erlebnispaedagogik.de
Bild: Jokic