Der Titel ist schrecklich – aber den Film kann ich nur weiterempfehlen!
Die Protagonistin - die 9-jährige Benni – bringt mit ihren Impulsdurchbrüchen immer wieder die Settings von Pflegefamilien und Jugendhilfe an Grenzen. Benni sieht für sich keine Handlungsalternativen, außer wegzulaufen und von Gruppe zu Gruppe verlegt zu werden.
Ihre beste Zeit erlebt Benni während einer Time Out Maßnahme im Wald, in der sie allein mit einem einzelnen Betreuer unterwegs ist.
Im Film wird an dieser Stelle eindrucksvoll dargestellt, wie wichtig Individualpädagogik sein kann, eine reizarme Umgebung, 1:1 Betreuung, Holz hacken, damit man nicht friert (Zusammenhang von Ursache und Wirkung!), keine Medien, etc.
Die Regisseurin Nora Fingerscheidt versteht es, aus dem Stoff keine sozialromantische Schmonzette zu machen - der Film zeigt auch auf, dass Profis im Umgang mit jungen Menschen in einer solchen Lebenssituation bis an ihre Grenzen gefordert sind, dass ihnen Fehler unterlaufen können. Die Hilflosigkeit des gesamten Hilfesystems, angefangen beim Jugendamt, über die stationären Settings, Schulbegleitung, Kinder- und Jugendpsychiatrie, etc. wird deutlich sichtbar.
Wer eine Lösung oder ein Patentrezept im Film erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen werden die Zuschauer Zeugen der sehr dicht erzählten Geschichte.
Absolute Glanzleistungen vollbringen die Schauspieler: Helena Zengel verkörpert die Benni beeindruckend und fast schon erschreckend gut. Auch die Rollen des Individualpädagogen, der Kindesmutter sowie die Rolle der Jugendamtsmitarbeiterin sind enorm stark gespielt.
Bleibt nur zu sagen: unbedingt anschauen! Dieser Film sollte nicht nur das Fachpublikum, sondern möglichst viele Menschen erreichen, um auf die Schwierigkeiten und Herausforderung dieser pädagogischen Arbeit, aber vor allem die Not der betroffenen Kinder und Jugendlichen aufmerksam zu machen.
Wir drücken dem Film im Rennen um einen Oscar fest die Daumen und wünschen ihm viele Zuschauer!
Ab dem 19.09.2019 im Kino!
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Text und Bild: Jens Dreger